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Am Kotti ist immer was los

Eine Mitarbeiterin von Hope Kreuzberg berichtet:

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Es scheint, als würde sich die Welt nur noch um Corona drehen. In den Medien gibt es kaum ein anderes Thema und unser öffentliches und soziales Leben ist plötzlich auf unsere Wohnung, den Supermarkt und eine andere Person außerhalb beschränkt. Ich mache mir Gedanken über abgesagte Treffen und checke jede freie Minute den Corona-Liveblog.

Wie gut, dass „das Helfen anderer“ unter die „triftigen Gründe“ fällt, für welche man die eigene Wohnung noch verlassen darf. Am ersten Tag nach der neuen Regelung sind wir uns als Hope Kreuzberg nicht sicher, was das für unseren Dienst an den Obdachlosen und Drogenabhängigen in Kreuzberg, bedeutet. Viele Tafeln und Notunterkünfte haben geschlossen und auch das Café Sehnsucht kann nicht wie gewohnt öffnen. Dass die Obdachlosen trotzdem Hunger haben – nach Brot und nach Zuwendung – ist uns klar. So beschließen wir, unseren Einsatz auf der Straße nicht nur montags zu machen, sondern jeden Tag. Aber in etwas anderer Form. Statt nur heiße Getränke zu verteilen, gibt es auch Brötchen oder Eintopf, Süßigkeiten und Obst. Wir gehen nur noch in Zweier-Teams raus, mit Plastikhandschuhen und wahren die vorgeschriebenen 1,50m Abstand.

Am ersten Tag überkommt mich ein komisches Gefühl. Es sind nicht die leeren Straßen oder die vermehrten Polizeikontrollen, sondern das bedrückende Gefühl von Furcht, das in der Luft zu hängen scheint.

Später stehe ich mit der obdachlosen H. auf dem Kotti und höre mir ihre Not an. Als ich mich verabschieden will, stellt sie mir ihren Sohn D. vor, der gerade vom Arzt kommt. „Ist alles okay bei dir?“, frage ich ihn. Er zuckt nur niedergeschlagen mit den Achseln. Noch vor einer Woche hätte ich daraufhin irgendetwas anderes gesagt, aber es ist nun mal Ende März 2020 und so rutscht es aus mir heraus: „Ist es wegen Corona?“ Er schaut mich fragend an, dann runzelt er die Stirn und schüttelt den Kopf. Dieses Mal sagt sein Blick eindeutig: Corona? Da habe ich ganz andere Probleme!

Für Leute wie D., dreht sich die Welt in ihren gewohnten Bahnen weiter. Ihre Probleme ändern sich nicht durch einen Virus und sie sind trotz Kontaktverbot auf die Hilfe anderer angewiesen.

Die Mutter H.  erzählt mir, dass sie gestern Geld abheben wollte, aber ihr Personalausweis ist abgelaufen und so bekam sie kein Geld. Der neue Personalausweis kostet aber zehn Euro, die H. nicht hat. Zusätzlich haben die Bürgerämter wegen Corona geschlossen. Damit sie trotzdem bei der Kunden-Notstelle einen Termin bekommt, muss sie diesen telefonisch beantragen. Doch ihre Sim-Karte ist ebenfalls leer.
Nach einem Besuch im Kiosk, der Installation einer neuen Sim-Karte, mehreren Telefonanrufen und der Übergabe von zehn Euro sitzen wir zu zweit auf einer Treppe und beten. Ich danke Gott für diese Frau und dafür, dass er sie auch weiterhin versorgen wird. Schließlich betet H.: „Danke Jesus! Und Danke euch! Da kann man echt wieder an einen Gott glauben.“ Amen.

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